Rowohlt Berlin 2006
Als das Handy klingelt, versucht Walter Edler gerade, drei von Monikas Hunden loszuwerden. Er fuchtelt mit den Händen. Monika steht im grünen Anorak in den kahlen Büschen und ruft. Es klingt schrill. Edler setzt ein paar Schritte in ihre Richtung, als wolle er zu ihr. Unter seinen Sohlen knirscht die gefrorene Wiese. Die kleinen, kurzbeinigen Tiere trollen neben ihm her, aber sobald er innehält, sobald er kehrtmacht, um den Park zu verlassen, bleiben sie stehen. Sie trauen ihm nicht. Es sind Hunde mit Vergangenheit. Hunde, die keiner mehr wollte, bevor Monika sie zu sich in die kleine Zweizimmerwohnung nahm. Mittlerweile sechs an der Zahl. Es ist eng, wenn sie zu siebt auf dem Sofa sitzen. Manchmal schneit dann noch Edler rein. Auch für ihn brauchen die Hunde nicht aufzustehen. Er ist Monikas bester Freund, tut alles für sie, aber die Hunde sind Monikas Ein und Alles. Ihre Aufgabe. Um warm zu werden mit dem Leben, muss der Mensch Gutes tun. „Ohne die Hunde gäbe es mich schon nicht mehr“, sagt sie.
Walter Edler fischt das klingelnde Handy aus der Jackentasche und geht ran. „Ich bin noch mitten bei der Arbeit!“, brüllt er. Er kann nicht leise reden. Was unterscheidet den Menschen im Park von den Hunden im Park? Er kann sich äußern. Manchmal ist das fast der einzige Unterschied. Deshalb lässt Walter Edler seine Stimme auftrumpfen. Er redet gegen den Lärm der Straße an. Er wedelt mit der Hand, damit die Hunde kapieren, dass sie ihm von der Pelle sollen, ab zu Monika in die Büsche, weil er mal los will. „Ich meld mich später!“, brüllt er ins Telefon. „Hab noch zu arbeiten!“
Immer wieder klingelt es, während er unterwegs ist. Im U-Bahn-Tunnel von Wandsbek, wo sich alte Bekannte wärmen. Am Ufer bei den Anglerfreunden. Sie haben gerade einen mageren Hecht aus dem Alsterkanal gezogen. Der Fisch hat den Haken so tief geschluckt, dass die Männer das Todesurteil vollstrecken. Das Telefon klingelt auch im kleinen Park nahe dem Kanal, wo Edler Tag für Tag mit den Drogensüchtigen gelungert hat, bis die Polizei das Gelände umstellte und die Stadt Hamburg einen Spielplatz baute. Er sagt den Anrufern nicht, dass es gerade nicht passt, weil in diesem Moment ein Fisch umgebracht wird. Er sagt nicht, dass er gerade mit Freude beobachtet, wie in den Bäumen im Park immer noch diese prächtigen Habichte lauern, die sich die Krähen im Sturzflug aus der Luft holen, um sie zu verspeisen. Er sagt: „Ich habe noch zu arbeiten.“
Er sagt, was andere Menschen sagen. Menschen, die früh aus dem Haus gehen und abends heimkehren. Er spielt Normalität: ein Handy haben, keine Zeit, Rückruf bei der nächstbesten Gelegenheit. Dabei wissen die Anrufer, wie es um ihn steht.
Er spielt für sich selbst. Um warm zu bleiben. Einsatzbereit.